Wirklich?
Die moderne Medizin ist wirklich unfassbar in dem was Ärzte und deren Teams ermöglichen können, um einen erkrankten Körper wieder funktionstüchtig zu machen.
Auch die damit einhergehende Medizintechnik wird ständig weiterentwickelt und ermöglicht heute Behandlungen, operative Eingriffe und lebenserhaltende Maßnahmen, die noch vor wenigen Jahren undenkbar waren. Ärzte bilden sich beständig weiter, um auf dem neusten Stand zu sein und ihr Handwerk zum Wohle des Patienten noch erfolgreicher ausüben zu können. Entsprechend wird Ärzten verdientermaßen von vielen Menschen großer Respekt entgegengebracht. Sie stellen für uns eine große Autorität dar, da sie das höchste Gut des Menschen – unsere Gesundheit und mitunter unser Leben – retten, erhalten und so oft verlängern können.
Und ist das nicht, was die Mehrheit der Menschheit anstrebt? Ein langes Leben? Ohne Ärzte wäre das in sehr vielen Fällen nicht möglich und dafür bekommen sie zu Recht besondere Hochachtung. Es wird nur schwierig und kompliziert, wenn wir uns und unser eigenes Gefühl dieser Autorität unterordnen, das heißt, wenn wir uns in dem Maße an einen Arzt und dessen Diagnose oder Ratschlag abgeben, dass wir das, was wir fühlen und unser Körper uns rückmeldet, ignorieren.
Bei aller Autorität und Expertise, über die jemand verfügt, wir sind alle Menschen, die nicht perfekt sind und auch gar nicht perfekt sein können. Jeder kann mal einen schlechten Tag haben, an dem er nicht angebunden ist. Wir können weder von jemandem erwarten, dass er alle Antworten für uns hat oder weiß, was für uns das Beste ist, noch sollten wir unsere Verantwortung an jemanden abgeben. Zuletzt treffen wir immer selbst die Entscheidungen in unserem Leben, was ja auch in der Einverständniserklärung für beispielsweise eine Operation deutlich wird. Bei aller Bildung, besten Intention und größten Sorgfalt, für die der Mediziner verantwortlich ist, wenn er seine Patienten betreut, können wir ihn nicht verantwortlich machen für unsere Gesundheit bzw. unsere Entscheidungen.
Was geschieht also nun, wenn wir den Arzt auf einen Sockel heben, weil wir ihn für intelligenter halten, ihm die Verantwortung für unsere Gesundheit oder sogar unser Leben geben möchten, ihn idealisieren, und deshalb unser inneres Wissen und das Gefühl unseres Körpers vernachlässigen oder gänzlich ignorieren? Sprich die eigene Kraft abgeben und jemandem, der studiert ist, mehr vertrauen als unserem eigenen Körpergefühl und der Weisheit, die uns natürlicherweise innewohnt.
Natürlich kennen wir uns faktisch nicht mit den ganzen Dingen aus, die ein Mediziner gelernt hat und wir sind auf dieses Fachwissen angewiesen. Und es ist die Aufgabe des Mediziners sein Fachwissen und seine Fähigkeiten dem Patienten zur Verfügung zu stellen. Jedoch, verlassen wir uns nun allein auf ein Wissen, dass sich jemand angeeignet hat und vertrauen diesem blind? Definieren wir uns und andere nur über angelerntes, studiertes Wissen und schalten unsere Rezeptoren der Feinfühligkeit auf Durchzug, sobald wir jemand begegnen, den wir für intelligenter oder gebildeter halten?
Oder fühlen wir, auch wenn wir nicht so belesen sind und keinen Titel wie Professor oder Doktor tragen, was unser eigenes Gefühl uns sagt? Beobachten wir zu jeder Zeit, ob das Gesagte oder Vorgeschlagene wirklich in uns als wahr und stimmig nachschwingt, also eine Wahrheit für uns bereit hält? Und erlauben wir uns zu fühlen, was z.B. in Folge einer Erkrankung für uns wahr wäre, in unserer Lebensweise und dem Umgang mit unserem Körper zu ändern?
Interessanterweise nennen wir im Sprachgebrauch Ärzte ja auch ‘Götter in Weiß‘. Mit dieser Bezeichnung implizieren wir unter anderem, dass sie allwissend seien, während wir als Patienten dies nicht sind. Jeder Mensch in seiner Essenz ist göttlich, und kennt Gott als eine Instanz, die niemals wollen, fordern oder raten würde, vergöttert zu werden, sondern sich mit ihr gleichwertig und somit eins zu fühlen, also ganz sicher nicht unsere Autorität und Kraft an ihn oder irgendjemanden abzugeben. Im Gegenteil, es gilt Gott zu repräsentieren, als sein Ebenbild. Es geht eben nicht darum, jemand anderen zu verehren, sondern die Weisheit und das Gott-Sein in sich selbst wieder zu entdecken und dadurch zu aktivieren.
Vielleicht wissen Sie manchmal nicht, was sich richtig für sie anfühlt und was zu tun ist in einem Moment? Oder Sie sind es gar nicht gewohnt, ihrem Körper und ihren Gefühlen Aufmerksamkeit und Bedeutung zu geben? Möglicherweise haben Sie durchaus ein Gefühl davon, was sich für Sie wahr anfühlt, aber vertrauen sich selbst nicht wegen der Verantwortung, die mit einer Entscheidung einhergeht?
Ein Moment des Innehaltens bewirkt manchmal Wunder. Wir sind es so gewohnt, unsere eigenen Gefühle zu überschreiben, aber das muss ja nicht so bleiben. Wenn Sie Ihren Gefühlen mehr Gehör verschaffen, mögen viele vorher ignorierte Zeichen und Symbole zum Vorschein kommen und Ihnen ein tieferes Verständnis davon bieten als das, was von außen an Sie herangetragen wird.
Das heißt natürlich nicht, ich gehe zu keinem Arzt mehr, weil ich es ja besser weiß. Das wäre wiederum das andere Extrem und weder selbstliebend, weise oder verantwortungsvoll. Dieses Innehalten und Spüren ersetzen nicht die Diagnose eines Arztes oder Heilpraktikers. Aber es ist nicht nötig, unsere eigene Weisheit über Bord zu werfen, weil ein Doktortitel am Türschild angebracht ist oder weil jemand viel Wissen angesammelt hat.
Es geht darum, immer zu fühlen. Denn dann wissen wir.
Comments